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Szene & Tribunal – Orte der Wertschöpfung? Nomos 2011. Ein Sammelband, besser: ein Sammelbändchen. 184 Seiten.

Ein Vorwort und 16 Beiträge. Dokumentation einer Tagung. Tagungen ohne Dokumentation gibt es nicht mehr. Es sei denn, die Tagungsteilnehmer bezahlen ihre Tagung selbst. Dann sind sie der Dokumentationspflicht ledig. Aber so interessant sind Tagungen auch wieder nicht, daß man sie selbst bezahlen würde. Zumal wenn es bloß nach Tübingen geht. Singapur hätte ein anderes Gewicht. Bezahlt aber ein anderer, dann muss dokumentiert werden, damit er sieht: die Teilnehmer haben nicht nur Kaffee getrunken.

Für die „Wertschöpfung“ hat das Land Baden-Württemberg bezahlt. Für „die zweite internationale Tagung im Rahmen […] des Kooperationsprojekts ‚Werte-Welten‘ der Universität Tübingen“. „International“ ist selbstverständlich. Wenn es um Welten geht, wäre „national“ provinziell. Die Teilnehmer kommen tatsächlich aus der weiten Welt. Südkorea, Dakar, Rabat, Schweden, Südafrika, Thailand, Belgien, Japan, Österreich – der Rest kommt aus Deutschland. Vorwiegend Tübingen, Mannheim ist aber auch vertreten. Ein „Netzwerk“ also. Was will das Netzwerk? Es will „unter dem Titel ‚WerteWelten‘ die Reflexion über unterschiedlich kulturell gewachsene Wertesysteme“ fördern.

Vorhin hieß es noch „Werte-Welten“. Macht aber wohl keinen Unterschied. „WerteWelten“ sieht irgendwie besser aus als „Werte-Welten“. Weniger bieder. Modern. Das Netzwerk hat zwei Arbeitshypothesen. Einmal, „daß es keine in sich homogenen, abgeschlossenen Wertesysteme gibt, sondern daß Werte in ihrer gesellschaftlichen Realität stets Verhandlungen, Mischungen und Anpassungen ausgesetzt sind“. Donnerwetter. Wer hätte das gedacht. Die zweite Arbeitshypothese ist womöglich noch kecker. Sie „geht davon aus, daß der ‚Dialog der Kulturen‘ nicht davon abstrahieren darf, daß er selbst mit Regeln umgeht, die man nicht einfach als universell gegeben voraussetzen sollte“. Sehr brav. Historisch die Regel, gesellschaftlich bedingt, relativistisch. „Deshalb“ (!?) habe man sich entschlossen, „ganz bewusst zwei Wissenschaftskulturen in den Mittelpunkt zu stellen, die ganz entscheidend durch ihre Fixierung auf Sprache gekennzeichnet sind: Literaturwissenschaft und Rechtswissenschaft“.

 Da stehen sie jetzt also im Mittelpunkt, die Juristen und die Germanisten. 5 Juristen, 1 Juristin (die Rechtsanwältin Seyran Ateş aus Berlin) und 14 Germanistinnen und Germanisten führt das Autorenregister auf. Das tiefsinnige Vorwort, aus dem ich gerade zitiere, hat der einzige Romanist (Frank Baasner) verfasst. Der aber wohl auch im Mittelpunkt steht, denn er hat zusammen mit Heinz-Dieter Assmann und Jürgen Wertheimer die Sammlung herausgegeben. Wer nicht im Mittelpunkt steht, erfährt man nicht. Irgendwer wird es schon sein – sonst gäbe es keinen Mittelpunkt.

Zwei Themen hat das Netzwerk nach Baasner (alles S.9) bisher bearbeitet. Einmal den „Begriff des Dialogs selbst“ – ein Sammel(?)Band mit dem Titel „Kulturen des Dialogs“ (ohne “selbst“!), an dem mich, nach diesen Hinweisen zu schließen, nur ein äußerst gütiges Geschick vorbeigeleitet haben kann, und zum anderen das vorliegende Bändchen, welches ich der Großmut von Johannes Rux verdanke, der es mir in der Überzeugung zuschickte, es könne mich interessieren, was es in der Tat tut, denn es „widmet sich den Orten, an denen der für die Gesellschaft zentrale Wert ‚Gerechtigkeit‘ verhandelt wird“. Also den Gerichten! Wie sollte das einen Juristen nicht interessieren?