Die FDP, soviel scheint klar, hat im Moment ein Problem mit den Wortmeldungen einiger ihrer prominenten Mitglieder. Erst diese Sache mit dem Dirndl von Brüderle, nun das asiatische Aussehen von Hahn. Da kann Westerwelle noch so staatsmännisch durch die Lande reisen: Den von ihm ruinierten Ruf der ehemals liberalen Partei kann er mit der neu angesteckten Seriosität und strikter Vermeidung des Wortes Steuersenkung nicht reanimieren. Dies jedenfalls dann nicht, wenn seine Mit-Mannen solche Dinge sagen: Sexistisch, rassistisch oder einfach daneben.

Da nützt es wenig, wenn der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, wieder einmal die Worte offensichtlich missverständlich bemüht – in der Hoffnung, dies würde erklären, dass Jörg Uwe Hahn, Hessischer Haudegen und zur Zeit in Wiesbaden als Justizminister tätig, sonderbare Fragen in den Raum stellt: „Bei Philipp Rösler“, hat der unter anderem für Integration zuständige Minister ja bekanntlich verlauten lassen, „würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren.“

Ja, das muss man sich wohl fragen. Denn natürlich liegt es näher, die Gründe für das historisch schlechte Abschneiden der FDP nicht in deren Politik, sondern bei der Gesellschaft zu suchen, die eben für einen asiatisch aussehenden Vizekanzler nicht reif ist. Oder genauer: nicht reif genug, denn ein bisschen reif war sie ja wohl auch in Hahns Augen einmal gewesen, weil er ja nur vermutet, es könnte an der gesellschaftlichen Bereitschaft fehlen, den asiatisch aussehenden Vize „auch noch länger“ zu akzeptieren. Bei seinem Amtsantritt im Mai 2011 gab es demnach keinen erkennbaren gesellschaftlichen Rassismus, aber man soll die Toleranz der Leute nicht überstrapazieren. „Noch länger“ könnte nun wirklich zum Problem werden, wie JuLi Becker treuherzig und erkennbar ganz ohne Arg der Passauer Neuen Presse (Freitagsausgabe) steckt: „Ich bekomme am Wahlkampfstand in der Fußgängerzone zu hören: Ich würde Euch ja wählen, aber dafür müsste erst mal der Chinese weg.“ Auf solche Äußerungen muss man doch reagieren. Da geht es nicht um eine Personaldebatte innerhalb der FDP, sondern um ein gesellschaftliches Problem, das Minister Hahn den Mut hatte anzusprechen, wenn auch mit nicht ganz glücklichen Worten.

Ja, Worte sind ohnehin Schall und Rauch, und die Empörung darüber, dass die Opposition mal wieder den gut gemeinten Vorstoß Hahns in Richtung gesellschaftlicher Aufklärung „bewusst falsch interpretiert“ (Becker), ist FDP-allgemein. Nicht nur Kubicki meldet sich blitzschnell entlastend zu Wort („…kenne Hahn gut - kein Rassist“), sondern auch Rösler selbst ergreift für Hahn Partei („…mein persönlicher Freund“), und er spricht ihn von jedem Rassismusverdacht frei.

Vielleicht sogar zu Recht, aber weshalb drücken sich Politiker gerade in den heikelsten Zusammenhängen oft so missverständlich aus? Einfach nur ein Intelligenzproblem? Der schlichteste Leser greift sich doch an den Kopf, wenn er das inkriminierte Zitat liest und fragt sich, warum es dem alten Politfuchs nicht in den Sinn kam, dass seine Worte missverstanden werden könnten? Hat er wirklich nicht bemerkt, dass das Gelände vermint ist und maligne Interpretationen geradezu provoziert? Das hat er schließlich schon einmal erlebt, in den neunziger Jahren, als er den Vorschlag des früheren hessischen Justizministers von Plottnitz, das Schöffenamt auch für Nicht-Deutsche zu öffnen, mit der Bemerkung zurückwies, es müsse bezweifelt werden, dass es einem Schöffen, mit etwa islamischem Hintergrund, möglich sei, nach hier geltenden Sittengesetzen (sic!)  Recht zu sprechen. Warum also hat er aus der Tatsache, schon damals missverstanden worden zu sein, nichts gelernt? Die Antwort könnte ganz einfach sein: Es kam ihm zwar in den Sinn, und er hat es durchaus bemerkt, und gelernt hat er die Lektion allemal! Aber: er wollte den Aufschrei, denn sein Herz war rein, und sein Ziel lag ganz woanders. Er wählte die missverständlichen Worte nur aus Kollegialität, um von der peinlichen Sexismus-Debatte in Sachen Brüderle abzulenken, in echter FDP-Solidarität mit dem in Not geratenen Spitzenmann. Rassismus gegen Sexismus – und dann vereint die Rolle rückwärts. Das war vielleicht etwas riskant, aber auf die Solidarität seiner FDP-Kumpanen konnte er erfahrungsgemäß zählen. Schliesslich haben die verschiedenartigsten Solidaritätsbekundungen seiner Parteifreunde mit dem Führungspersonal monatelang die Medien in Atem gehalten.

Und so hat geballte Solidarität auch Hahn getrieben: Solidarität mit Röslers fremdartigem Aussehen, mit dem armen Brüderle (der sich ja auch schon mit Blick auf Rösler durch einen kernigen Vergleich zwischen Bambusrohr und deutscher Eiche profiliert hat), und vielleicht auch – aus kollateraler Solidarität – mit dem Koalitionspartner, um das Schavan-Debakel zu entschärfen. Je mehr Skandale gleichzeitig, desto weniger bleibt im Einzelfall hängen, und dann kann man den Spieß ruhig umdrehen: Böse ist nicht der, der mit dem Feuer spielt, sondern das Feuer selbst. Und böse ist vor allem die Opposition, die hinter dem arglosen Hinweis auf eine mögliche Unvermittelbarkeit asiatischen Aussehens natürlich gleich latenten Rassismus wittert.

Damit ist die FDP-Welt wieder in Ordnung – das Problem ist allenfalls, ob der Wähler das merkt.