Am 7. Dezember habe ich in der Universität Mannheim einen Vortrag gehalten. Es war ein älterer Text, den ich schon zweimal gelesen hatte. Einmal im Max Planck Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt/Main (auf Einladung von Marie Theres Fögen) und einmal vor den Freunden und Förderern der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (auf Einladung von Günter Stock). Mit dem Text hatte ich versucht,

einerseits eine durchaus ernsthafte, „wissenschaftliche“ Studie über Zeitbegriff und Zeitauffassung in ein science fiction-
Szenario auslaufen zu lassen und andererseits eine Serie sozialpsychologischer und soziologischer Beobachtungen über praktische Rhetorik und Redner damit zu verbinden. Die Reaktion des Publikums war sehr verschieden. Die Berliner konnten sich für die Zeitreflexionen erwärmen und sahen in den soziologischen Stücken ein eher unwichtiges Korollarium, die Zuhörer im MPI betrachteten die Überlegungen zur Zeit als notwendiges „Material“ zur Entfaltung der rhetorischen
Spots. Die Mannheimer enttäuschten meine Erwartung, sie würden sich ebenfalls auf die eine oder andere Seite schlagen. Sie nahmen überraschend die Sache so, wie sie einmal ersonnen worden war: als Münze mit zwei Seiten, womit sie dem Vortragenden eine vorweihnachtliche Freude bereiteten. Grund war vielleicht, daß das Mannheimer Publikum zu einem nicht ganz kleinen Teil durch die Schule meines Gastgebers Ulrich Falk gegangen war, der in Mannheim und darüber hinaus der juristischen Rhetorik eine praktische Bleibe verschafft und damit dem von Natur aus ziemlich drögen Rechtsunterricht ein mannheimspezifisches Glanzlicht aufgesetzt hat.

Den Tagebuchlesern soll dieser Text nicht länger vorenthalten werden. Ich wollte ihn eigentlich noch um die Quellen, aus denen ich geschöpft habe, ergänzen, verschiebe dies aber auf eine spätere Mußestunde – das meiste ist ohnehin altbekannt oder leicht zu erschließen. Daß ich mich für die Ilmenau-Episode des J.W. Goethe bei Adolf Muschg bedient habe, muss jedoch vermerkt werden, denn der Schweizer Schriftsteller und Goethe-Fan wird im Text nicht namentlich erwähnt.

Hier also ein Vortrag über die Zeit.