Ich bin oft eingeladen. Das ist schön. Ich lasse mich gern einladen. Vor allem zum Essen. Weil ich ein alter Professor bin, müssen sich die Gastgeber etwas überlegen. Sie können mich nicht einfach zum Türken oder Chinesen an der Ecke führen, es sei denn, dort gibt es zufällig einen sehr guten Türken oder sehr guten Chinesen. Sie müssen selbst kochen, kochen lassen oder etwas Gehobenes aussuchen.

Manchmal muß ich vor dem Essen einem Vortrag zuhören. Das ist nicht so schön. Man sitzt da, weiß alles besser oder versteht überhaupt nichts und fragt sich, warum die Zeit, in der man mit der Nachbarin plaudern könnte, so grausam vernichtet wird. Solche Einladungen sind nur schön, wenn ich der Redner bin. Aber das ist sehr selten der Fall.

Häufiger werde ich zu eigenen Vorträgen ohne Essen eingeladen. Das ist auch schön, weil ich fast so gern rede wie ich esse. Fad ist nur, daß man hinterher immer Fragen beantworten muß. Fast alle Fragen sind entsetzlich dämlich. Oder unbeantwortbar. Oder beides. Die Meisten wollen auch gar nichts fragen, sondern nur zeigen, daß sie auch eine Meinung haben. Was man eigentlich schon weiß. Trotzdem muß man sie anhören. Das ist schrecklich. Deswegen lehne ich Einladungen zu Podiumsdiskussionen immer ab. Selbst wenn hinterher zum Essen gegangen wird.

Nicht einmal eine Einladung zur Moderation ist angenehm. Man muß die männlichen oder weiblichen Podiasten vorstellen und sich dazu in Biografien vertiefen, von denen man in der Regel froh ist, daß einem die nähere Begegnung mit ihnen erspart geblieben ist. Alsdann muß man versuchen, etwas Besonderes aus den Anwesenden heraus zu locken, ohne daß ihre Grobheiten und Dummheiten als Beilage mitkommen. Am Ende soll man sie bewegen, miteinander zu reden und nicht bloß über und für sich. Anstrengende Arbeit und lästige Einladungen. Dennoch muß man sie hin und wieder annehmen. Denn alle Einladungen kann man nicht ablehnen. Sonst wird man gar nicht mehr eingeladen. Das wäre mir auch nicht recht.

Von Manchen bin ich ohnehin noch nie eingeladen worden. Zum Beispiel von der Credit Suisse. Das ist eine dieser Riesenbanken aus der Schweiz. Sehr vornehm und sehr reich. Das Essen ist vermutlich phantastisch. Aber die haben leider keinerlei Grund mich einzuladen. Immerhin kenne ich welche, die dort eingeladen werden. Und die haben mir kürzlich eine solche tolle Einladung gezeigt. Der lag folgender Zettel bei:

„Die Credit Suisse Group AG und mit ihr verbundenen Unternehmen (‚Credit Suisse‘) setzen alles daran, die verschiedenen Vorschriften und Gesetze zur Bekämpfung von Bestechung einzuhalten, die für Amtsträger, Mitarbeitende von Regierungsstellen/Behörden und Mitarbeitende von Unternehmen gelten. Diese können die Höhe oder Art der von der Credit Suisse für Sie übernommenen Auslagen einschränken.

Mit Ihrer Anmeldung für diese Veranstaltung bestätigen Sie, dass Ihre Annahme der Einladung und die Übernahme der Kosten durch die Credit Suisse im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung, wie Essen, Getränke, Empfänge, Übernachtungen und sonstige Auslagen gegen keine für Sie geltenden Gesetze oder Vorschriften oder gegen die Weisungen Ihres Unternehmens verstossen. Sie bestätigen ausserdem, dass Sie die entsprechenden Genehmigungen erhalten haben. Wenn Sie oder Ihr Unternehmen der Credit Suisse die Kosten vergüten oder direkt für solche Kosten aufkommen müssen/muss, kontaktieren Sie uns um die notwendigen Maßnahmen in die Wege zu leiten“

Obwohl ich gern mal etwas erfinde: dies ist nicht erfunden, sondern vom Original abgeschrieben. Und stammt tatsächlich aus der Schweiz. Wahnsinn! Der vorauseilende Antikorruptionswahnsinn. Dabei hatten die Schweizer doch überhaupt keinen Präsidenten, der sich zu allem und von jedem einladen ließ.

Bei einem  so umsichtigen Gastgeber möchte ich vielleicht dann doch lieber nicht eingeladen werden. Sonst muß ich noch meinen Impfpass, eine polizeiliche Unbedenklichkeitserklärung und die Geburtsurkunde vorlegen, bevor ich etwas zu essen bekomme. Oder es gibt „Maßnahmen“ zum Nachtisch.