Das Neue Jahr hat begonnen. An den Rändern der Berliner Straßen verenden die dem Wald entrissenen Tannen. Die abgesägten Beinstümpfe ragen in das schneelose, feuchte Wetter und signalisieren den sozialen Status derer, die sie genutzt und jetzt auf den Müll geworfen haben. Anspruchsvoll und stufenweise ausgefräste Stümpfe deuten auf große und prachtvolle Ständer, unbearbeitetes Holz mit Bohrlöchern an der Seite signalisiert schlichte Verschraubung in einfacher Halterung.

Ich finde kein Verständnis für mein Mitgefühl mit den Opferbäumen. Sie wurden gezüchtet wie die Hähnchen, kurzes Leben für Freß- und Glitzerglück des homo sapiens. Nimmt man ihm sein Glück, gibt es weder Hähnchen noch Bäumchen. Irgendwie einleuchtend und doch unerquicklich.

Dagegen die 8 Manntage Arbeit an einem Vortrag für das Wissenschaftskolleg Berlin eher ein reines Vergnügen, auch wenn kostbare Zeit vielleicht irgendeinem Freß- oder Glitzerglück hätte gewidmet werden sollen. Recht als Rhetorik - Rhetorik als Recht. Von 19.00 bis 21.00 Uhr in der Wallotstr.10. Christoph Möllers führte mich ein. Angenehm kurz und ohne den bei solchen Gelegenheiten besonders unerträglichen hohen Ton. Sein Hinweis auf meine Arbeit als "kreativ-zersetzend" gefiel mir. Auch wenn er falsch sein sollte, trifft er jedenfalls meine Intentionen. Da die Welt zugebaut ist, braucht man Trümmer, wenn man bauen will. Der Raum war gut gefüllt. Das Publikum nicht spezialisiert, aber kundig. Der Beifall angesichts der Zumutung für die Steiße (75 Min.) mehr als freundlich. Aber irgendwie ging es nicht kürzer, wobei ich immer noch den Eindruck verkrampfter Zurückhaltung hatte.

Ein Aufsatz von Kiefner hat mich auf die Idee gebracht (species facti, Kleist-Jahrbuch 1988/89, 13 ff.). Zum Erinnern und Vergewissern braucht man dann nur noch Wieacker, Römische Rechtsgeschichte I von 1988 und Latte, Heiliges Recht von 1920. Dann noch Iherings Geist und das wunderbare Buch von Wilfried Stroh, Macht der Rede von 2009 (der damit seine Geschichte des Lateinischen noch übertraf). Der Rest ist Grübeln über Leseerinnerungen. Demgemäß viel Bekanntes und nur wenig Neues für mich selbst. Für Interessierte vielleicht ein bißchen mehr.

Und hier ist er.