Immer noch wird über den Bundespräsidenten diskutiert. Einige verlangen jetzt Schluss mit der Debatte. Finanzminister Schäuble zum Beispiel. Aber nicht nur er. Auch andere. Warum? Es ist doch kurzweilig über einen Bundespräsidenten zu debattieren, von dem bisher nicht viel die Rede war. Mag sein, sagt Minister Schäuble, aber der Respekt vor dem Amt verlangt unser Schweigen. Ansonsten könnte das Amt beschädigt werden.

„Respekt“, lese ich in dem braven etymologischen Wörterbuch von Wolfgang Pfeifer, kam von dem „respect“ der Franzosen zu den Deutschen, nachdem es zu diesen  aus dem Lateinischen “respectus“ ( = Berücksichtigung, Rücksicht) gewandert war,  wobei „respectus“ wiederum von „respicere“ ( = überdenken, berücksichtigen) abzuleiten ist.  Wir sollen also das Amt berücksichtigen, wenn wir über den Amtsinhaber diskutieren.

Inhaber kann man sicher beschädigen, wenn man allerlei über sie aufdeckt, sie durch den Kakao zieht, ihnen zu Recht oder Unrecht Übles nachsagt, ihnen – wie es in heroischen Zeiten hieß – die Charaktermaske vom Gesicht reißt.

Aber wie beschädigt man ein Amt? Wird das Außenministerium beschädigt, wenn jemand den Inhaber als  inkompetenten Kasper bezeichnet oder das Finanzministerium, wenn der Minister als Spieler und Säufer denunziert wird? Keinesfalls. Der Inhaber verschwindet naturgemäß über kurz oder lang.  Das Amt bleibt, was es ist, eine Funktion, die gut oder schlecht wahrgenommen wird.

Aber vielleicht ist das beim höchsten Staatsamt anders? Schließlich versäumt es keiner der Warner auf diesen Umstand ausdrücklich hinzuweisen: das höchste Amt im Staate soll nicht beschädigt werden.

Das Bundespräsidialamt ist das höchste, weil sein Inhaber als Vertreter aller Deutschen anzusehen ist. Er repräsentiert uns. Wenn also ein uninspirierter Funktionär, ein blasser Provinzpolitiker, einfallsloser Redner und Heuchler uns alle repräsentieren würde, dann könnte wohl einem deutschenkritischen – z.B. englischen – Journalisten einfallen zu behaupten, wir seien gut repräsentiert, weil wir gerade so seien, wie unser Repräsentant. Vielleicht hätte er sogar Recht.

Sieht man uns aber freundlicher, weltoffen, großzügig, souverän, klug, beredt etc., würde man uns vielleicht bedauern. Was ich etwas übertrieben fände.  Das Amt jedenfalls nähme in keinem Fall Schaden.

Warum also soll es Schaden nehmen, wenn wir selbst darüber debattieren, ob wir den richtigen erwischt haben?

Mir scheint, Schaden nehmen die, welche dafür verantwortlich sind, daß einer da sitzt, wo er nicht hingehört. Denn sie wussten doch, was sie tun, und hatten keinen Respekt vor dem Amt, sonst hätten sie nicht bewiesen, daß ihnen das Amt gleichgültig ist, wenn es nur einem zufällt, der Ihnen passt.

Schaden droht also nicht dem Amt, sondern den Amtsinhabern, dem einen, mit dem höchsten Amt, aber auch den anderen, denen mit den niedereren Ämtern. Denen, deren Ämter weniger gleichgültig sind. Denn jetzt ist der Fehler nicht mehr zu reparieren und sie müssen sich solidarisieren („voll und ganz hinter ...“ etc.).

Minister Schäuble hat also ein bißchen Angst. Deshalb meint er: Mund halten sonst droht uns Schaden!  Und der droht wirklich. Grässlicher Gedanke:  Es muß vielleicht alsbald schon ein neuer Repräsentant bestellt werden. Schon wieder! Und wir müssen nicht nur den Wahlkampf der Gleichgültigen um Gleichgültiges erleben, sondern noch mehr Repräsentantenpensionen bezahlen.

Vielleicht sollten wir auf Repräsentation verzichten? Dann droht niemand mehr Schaden und wir sparen ein höchstes, aber mehr verfassungszierendes als verfassungswichtiges Amt samt seiner Kosten.