Berlin 7. November 2011. Senator Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner wird verabschiedet. Nichts Besonderes. Dauernd werden irgendwelche Politiker verabschiedet. Die Situation meist analog einer Beerdigung. Es wird gelogen, was das Zeug hält. Der Verabschiedete steigt zum Superstar auf. Öffentliche Trauer und klammheimliche Freude.

Endlich ist er weg und der/die Nachfolger(in) bereits in Sicht. Der Verabschiedete verschwindet und irrlichtert später gelegentlich in den Erinnerungen der Überlebenden. Ort des Geschehens: die wunderschönen Räume des Bundesrates in der Leipziger Stra0e. Raum 1008. Die Parteifreunde und  -feinde überschlagen sich in heftigem Bedauern  und Lobpreis. Der politische Gegner ist keiner mehr und kann daher in das Lob einstimmen. Man war häufig verschiedener Meinung - gewiss. Aber am Ende (und jetzt ist das Ende) sieht man, wie gut alles war. Hart, aber fair. Aber gemeinsam wurde die Republik vorangebracht. Im übrigen hat man bereits den Nachfolger im Visier.

So war meine Erwartung. Sie wurde enttäuscht. Vielen Abschieden habe ich mehr oder minder freiwillig zugehört. Bei Zöllner war ich freiwillig, denn in den 20 Jahren, in denen  er insgesamt für Wissenschaft und Bildung in Mainz und Berlin gerackert hat, hat er sich fanatisch nicht geschont und in die dicken Bretter nachhaltige Löcher gebohrt. Da und dort hat er sogar eins ganz durchgebohrt. Natürlich ist ihm vieles mißglückt und daß dies der Fall war hat viele  - und gelegentlich auch mich - durchaus gefreut. Sozialdemokratische Wissenschaft und Bildung kann einem wie mir schon gelegentlich zuwider sein. Aber seine Niederlagen stehen niedlich hinter seinen Siegen. Welch eine Leistungsbilanz. Die Redner haben es leicht.

Die Redner waren die 1. Überraschung. Es sind 4, läßt man den einleitenden Staatssekretär Husung, der schmerz- und klaglos seine Untertanenpflicht erfüllt, und den Verabschiedeten selbst beiseite. Sie halten sich formal an die Zeitvorgabe. Erstaunlich. Keine langatmige Selbstdarstellung, kein gefühliges Memorieren (weißt Du noch Jürgen ..)  verschollener Großtaten. Inhaltlich knapp, stringent, geschmackvoll und jeweils typisch für ihre Funktion.Das war die 2. Überraschung.

Ministerin Schavan, unerklärlich heiter wie immer bei derlei Auftritten, beginnt. Sie hat eine dringende Auslandsreise und muß bald weg. Das müssen Minister bei solchen Gelegenheiten immer. Aber ihre Würdigung der Lebensleistung ist ohne falsche Töne. Ziemlich gut, denn verschiedener könnten die Charaktere und das Fundament schließlich kaum sein. Zöllner ist schließlich ein Wissenschaftler. Schavan kommt aus der Bildung und eigentlich immer noch dort. Aber man kann ihr ihre Sympathie glauben. Glaubt man wenigstens.

Nach Schavan kommt Karl Ulrich Mayer, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Er spricht für die Allianz der Wissenschaftsorganisationen der Republik. Nach der Ministerin also der ranghöchste Wissenschaftler. Er spricht über Fixsterne und Planeten. Zöllner soll bald dieses, bald jenes gewesen sein. Ist mir nicht aufgefallen. Aber der milde Witz, der sich dem Bild entlocken läßt kommt gut an. Zöllner freut sich.

Günter Stock, Präsident der BBAW, spricht für die Deutschen Akademien im allgemeinen. Lobt die Zöllner- Unterstützung des Akademienprogramms. Das ist tatsächlich bemerkenswert. Das Akademienprogramm betrifft Geisteswissenschaften. Zöllner war mit 32 Prof. für Molekularbiologie. Da hat ein Geisteswissenschaftler in der Regel nicht viel zu hoffen.  Stock erwähnt die Mainzer Akademie und die Verbundenheit der Berliner mit den Mainzern. War mir früher auch nicht aufgefallen, aber bei mir war manches anders. Jetzt ist alles akademisch sauber und perfekt. Die Mainzer Vergangenheit kann ihr auch nicht ewig nachhängen. Sehr schön.

Abschließend dann noch Arend Oetker. Präsidiert dem Stifterverband der Wirtschaft für die Wissenschaft. Bezeichnet sich als Kaufmann und ist erfreut, aus diesem Anlaß vor diesem Publikum sprechen zu dürfen. Rund 100 Anwesende, etwa 80 davon sind gegenwärtige oder frühere Wissenschaftsfunktionäre. Der Rest: "Begleitung". Spricht über Wettbewerb. Wovon soll ein Kaufmann auch sonst sprechen? Von Zöllners "visionörer Kraft" spricht er immerhin auch. Von der habe ich auch Kenntnis genommen. Auf die Juristen hat er die Fähigkeit leider nicht ausgedehnt.

Zöllner dankt. Ungerührt. Besser: nicht sichtlich gerührt. Geht mit 2 Forderungen ab: Die Wissenschaft muß selbst für ihre Glaubwürdigkeit sorgen. Mit ihren Maßstäben und nach diesen - nicht mit denen der Politik. Dazu hat sie wahrlich allen Grund. Und: wirklich grundlegende Reflexion zur Sanierung und Finanzierung des Systems ist unumgänglich. Jaaaa!

Die 3. Überraschung ist das musikalische Rahmenprogramm.Aus dunklen Gründen unverzichtbar. Wird heute meist mäzenatisch eingesetzt. Die erfolgreichen Schüler der X-Schule, die Meisterklasse der Y-Anstalt, der junge Star (weiblich oder männlich) .. etc. Diesmal nicht: das Artemis Quartett spielt höchstselbst. Soll ein Zufall gewesen sein. Schöner Zufall.

Jetzt ist er fort. Ich hoffe er kann sich erholen. Die Funktionäre verlaufen sich schnell. Veranstaltung von 12.30 bis 14.00 Uhr. Man will um 14.30 wieder am Schreibtisch sein. Das Buffet wird kaum goutiert. Ich kann die schnuckeligen Petitessen nicht mehr sehen und kaufe mir auf dem Potsdamer Platz gebrannte Mandeln.